Noria [edition Spielwiese/Pegasus Spiele] – Rezension

Erstkontakt

Es ist interessant zu sehen, dass man letztlich immer wieder über Spiele stolpert, die manzunächst nicht beachtet hatte. Die BerlinCon 2017 brachte mich das erste Mal in Kontakt mit „Noria“ – ein paar, für den nur kurz Vorbeieilenden nichtssagende, graue Pappräder wurden hin- und hergedreht. Sah anders aus, aber nicht so anders, dass ich stehenbleiben und zuschauen wollte. Drei Monate später wieder: Diesmal wurden bunte Pappräder hin- und hergedreht. Aha, das kennste doch, dachte ich mir. Aber länger als zwei Minuten meiner Zeit konnte mir auch diesmal „Noria“ nicht abluchsen. Mittlerweile hat es mich schon einige Stunden gekostet. Welchen Eindruck das Erstlingswerk der Autorin Sophia Wagner nun bei mir hinterlassen hat, folgt jetzt.

 

 

Worum geht es?

Mit bis zu vier Spielern versuchen wir aus Noria ein blühendes Imperium zu machen. Dazu errichten wir Fabriken, produzieren Waren und reichen unser daraus bezogenes Wissen an Politiker weiter. Der Spieler, der den meisten Einfluss im Rathaus (Siegpunkte) erlangen kann, gewinnt das Spiel.

 

Die äußeren Werte – Material

Neben einem großen Spielplan, Holzfiguren (Gesandte), diversen Pappteilen (Rohstoffplättchen, Inseln, Schiffsplättchen, Warenlager etc.) sind es in erster Linie die bereits eingangs erwähnten Räder mit jeweils drei unterschiedlich großen Pappringen, welche „Noria“ aus der Masse der Spiele zumindest in Sachen Spielmaterial etwas herausragen lassen. Das Material ist von durchschnittlich guter Qualität. Einzig die Scheiben, die in die Aussparungen der Räder gelegt werden, sind wohl etwas zu flach geraten und rutschen beim Drehen gern mal unter selbige. Einen Ersatzbogen aus dickerer Pappe bekam man allerdings in Essen gleich dazu.

Den Ordnungsliebenden sei gleich eine Sortierbox ans Herz gelegt, „Noria“ geizt nicht mit Plastikbeuteln.

Ein paar Worte noch zur Spielanleitung. Diese gibt es in Deutsch und Englisch, das Spielmaterial selbst ist sprachneutral. Zunächst wird dem Spieler sehr detailreich erklärt, wie er zu Siegpunkten kommt. Erst im Anschluss erfolgt die Erläuterung der einzelnen Spielphasen. Das empfand ich als etwas ungünstig, da mir zu Beginn viele der Zusammenhänge, auf die verwiesen werden, noch nicht klar sein konnten. Positiv zu werten ist das Erklärvideo zum Spiel, zu finden auf der Homepage der Edition Spielwiese. Da manche Passagen aber zu schnell und ohne Denkpausen erläutert werden, muss dieses auch mindestens zweimal über den Bildschirm flackern.

 

Die inneren Werte – das Spiel

Nachdem das Spielbrett und das nötige Material ausgelegt wurden, können sich die Spieler dem Herzstück des Spiels, dem Rad widmen. Zwölf Plätze stehen zur Verfügung und können mit insgesamt sieben verschiedenen Scheiben bestückt werden. Zu Beginn stehen uns davon sechs verschiedene zur Verfügung, die nach einem festgelegten Schema in die Aussparungen gelegt werden.

Eine Runde läuft in vier Phasen ab:

Einflussphase (optional): Es darf am Rad gedreht werden.

Aktionsphase: Bis zu drei der Scheiben können aktiviert werden.

Politikphase (optional): Investitionen werden wertvoller bzw. weniger wertvoll gemacht.

Verwaltungsphase: Wissen erlangen – Rad weiter drehen

Einflussphase:

Gegen Wissensplättchen, die ich für errichtete Fabriken bekomme, kann ich die Stellung der einzelnen Ringe verändern, um in der Runde mir genehme Aktionen durchführen zu dürfen:

-mittleren oder äußeren Ring einen Platz weiter drehen

– zwei Scheiben miteinander tauschen

 

Aktionsphase:

Die sieben Scheiben ermöglichen unterschiedliche Aktionen. Da nur die untere Hälfte des Rades aktiv ist, kann man nur darauf befindliche Scheiben nutzen. Gerade zu Beginn gibt es aber auch noch freie Plätze, sodass nicht immer die Maximalanzahl von drei Scheiben genutzt werden kann.

Obsidian-Rohstoff

(Rohstoffscheibe)

Man erhält so viel des angegebenen Rohstoffs, wie man Schiffe dieses Rohstoffes hat. Schiffe erhält man durch die Reise-Scheibe.
Energie-Rohstoff

(Rohstoffscheibe)

Man erhält so viel des angegebenen Rohstoffs, wie man Schiffe dieses Rohstoffes hat.
Myzel-Rohstoff

(Rohstoffscheibe)

Man erhält so viel des angegebenen Rohstoffs, wie man Schiffe dieses Rohstoffes hat.
Stadt-Scheibe Zwei Möglichkeiten:

a.) Eine neue Scheibe am Markt für das Rad kaufen

oder

b.) Auf einem der auf dem Spielplan vier abgedruckten Pfade eine Stufe nach oben steigen. Nur hierfür gibt es auch Siegpunkte. Der Aufstieg muss je nach Pfad mit einer anderen Ware bezahlt werden.

 

Reise-Scheibe Hier kommen die Inselplättchen ins Spiel. Wenn eine Insel bereist wird (entweder eine bereits ausliegende oder eine neu gezogene), kann entschieden werden:

a.) Eine Fabrik zu bauen. Für gebaute Fabriken enthält man ein oder zwei Warenlager für Waren (Um diese Waren herzustellen, braucht man die obengenannten drei Rohstoffe). Außerdem gibt es für je zwei gebaute Fabriken eines der für Phase 1 nötigen Wissensplättchen.

oder

b.) Auf den Inseln liegen die für den Transport der obigen drei Rohstoffe nötigen Schiffe (ein oder zwei verschiedene pro Insel). Der Spieler kann sich eines nehmen und so beim Einsatz der entsprechenden Rohstoffscheibe die Anzahl der zu erhaltenden Rohstoffe erhöhen.

Werkzeug-Scheibe Zwei Möglichkeiten:

a.) Eine Scheibe aufwerten (umdrehen), deren Aktion darf dann doppelt genutzt werden.

oder

b.) Warenlager befüllen: Entweder können alle Waren einer Sorte oder eine Ware aller unterschiedlichen Sorten aufgefüllt werden. Dazu müssen aber die auf den Warenlagern abgebildeten Rohstoffe gezahlt werden

Bonus-Scheibe Damit kann eine für diesen Zug geplante Scheiben-Aktion doppelt ausgeführt werden.

 

Politikphase (optional): Investitionen werden wertvoller bzw. weniger wertvoll gemacht.

Nur in dieser Phase können Punkte gemacht werden. Auf dem Spielplan ist ein Rathaus, bestehend aus vier Pfaden, abgedruckt. Die vier Gesandten eines Spielers können diese besteigen und damit ihren Einfluss auf die Politik Norias erhöhen. Jeder Pfad kann nur mit je einem eigenen Gesandten bereist werden. Das Erklimmen dieser Pfade bringt aber nur Punkte, wenn die jeweils zugehörige Kammer mit möglichst vielen Politikern (max. vier pro Kammer) besetzt wird. Im Abstand von 2, 3 oder 4 Punkten erhöht sich mit jedem dazukommenden Politiker der Multiplikator für die Stufe des Pfades, auf der sich der Gesandte befindet. Desweiteren gibt es noch zwei Kammern, die Punkte für den höchsten und niedrigsten Gesandten eines Spielers bringen.

In dieser Phase kann nun der Spieler Wissen ausgeben, um einen Politiker in eine Kammer zu setzen und einen noch nicht eingesetzten aus einer anderen Kammer endgültig aus dem Spiel zu entfernen.

Verwaltungsphase: Wissen erlangen – Rad weiter drehen

Die noch nicht errichteten Fabriken belegen Wissen. Erbaut man diese, wird Wissen freigelegt, mit dem man letztendlich in Phase 1 und Phase 3 arbeiten kann. Maximal vier Wissen kann man jetzt pro Runde dazuerhalten.

Außerdem muss jeder Ring des Rades um eine Drehung weitergesetzt werden, sodass in der nächsten Runde andere Scheiben aktiv werden können.

Die inneren Werte – Spielgefühl

Puh, ehrlich, „Noria“ war das seit langem erste Spiel, das ich mir wieder selbst erarbeiten musste, da mein Lieblings-Erklärbär nicht zur Verfügung stand. Hat man sich durch die Anleitung gearbeitet, stellt man fest, dass der Ablauf des Spiels sehr simpel ist:  Wenn gewünscht, Rädchen drehen, drei Scheiben aktivieren, Aktionen dieser Scheiben durchführen, Politiker hin- und herschieben, Rädchen drehen. Kurz und knapp.

Nun wäre damit sicher nicht die Kennzeichnung durch Pegasus als Expertenspiel gerechtfertigt. Der Kniff liegt darin, gezielt drei mögliche Aktionen zu kombinieren. Das ist schwieriger als gedacht, da, wie oben gezeigt, alles miteinander verwoben und voneinander abhängig ist. Es gilt zu überblicken, welche Aktionen in den ersten Runden notwendig sind und wann die Zeit gekommen ist, seine Gesandten ins Rathaus zu schicken. Tut man das zu früh, können die Mitspieler einem gehörig die Suppe versalzen, indem sie die Politiker dieses Weges entfernen. Im ungünstigsten Fall fällt dann der Multiplikator auf 0, damit bekomme ich für diesen Pfad 0 Punkte. Das gilt allerdings auch für alle gegnerischen Gesandten dieses Pfades. Klettere ich zu spät, muss ich für jeden gegnerischen Gesandten vor mir auf dem Pfad einen wertvollen Rohstoff abgeben. Hinzukommt, dass die Kosten fürs Einsetzen/Entfernen von Politikern stetig steigen.

„Noria“ ist ein knallhartes Optimierungsspiel. Genau darin liegt aber auch der Reiz des Spiels: Abzuwägen, zu welchem Zeitpunkt Aktionsscheiben aktiviert/umgesetzt/hinzugekauft/ersetzt werden sollten und welchen Pfad ich wann und wie weit mit meinem Gesandten besteigen will. Dazu müssen die Züge des Gegners genau im Auge behalten werden. Leider fiel das allen Mitspielern recht schwer, da man die ersten Male sehr mit der Analyse der eigenen Möglichkeiten beschäftigt ist. Das Vorgehen der Mitspieler war nur in Phase 3 beachtenswert, da nur hier siegpunktbezogene Interaktion durch das Einsetzen/Entfernen der Politiker möglich war.

Mit knallharten Strategen, die jeden Zug genau analysieren (dazu lädt „Noria“ ein), zog sich so manche Runde wie Kaugummi.

Trotz der tollen grafischen Gestaltung blieb „Noria“ irgendwie farblos. Das Setting spielt keinerlei Rolle. Normalerweise lege ich weniger Wert darauf, dass Thema und Spielmechaniken zusammenpassen, wenn diese dafür eine gewisse Innovation erkennen lassen. Aber „Noria“ hat außer der Idee des Ressourcenrades, Tom Felbernannte es „Wheel-Building“, zu wenig zu bieten. In der Reihe der Optimierungsspiele reicht diese Neuentwicklung nicht aus, um „Noria“ weit genug herauszustellen.

Fazit

Das war gut:

  1. Kein Punktesalat zum Schluss – einfache Abrechnung der Siegpunkte.
  2. Interessante Idee des „Wheelbuilding“.
  3. Lädt zum Perfektionieren der eigenen Züge und damit einer weiteren Partie ein.

 

Das hat nicht gefallen:

  1. Zu Beginn etwas verwirrende Anleitung.
  2. Sehr grübellastiges Spiel – Züge des Gegners sind nur wenig interessant.
  3. Keine Verflechtung des Settings mit den Spielmechaniken.
  4. Ich glaube, ich wiederhole mich: Zipperbeutel…

Fazit: Die Zusammensetzung der Spielerunde ist hier besonders wichtig. Strategen und Genießer passen bei diesem Expertenspiel nicht zusammen. „Noria“ verlangt eine stetige und intensive Analyse der Spielsituation. Das kann man nicht zum Vorwurf machen, steht schließlich die Einstufung „Expertenspiel“ bereits auf dem Cover. „Noria“ bietet dem Liebhaber der Ästhetik jedoch nicht genug äußere Anreize – das Setting ist zu beliebig gewählt. Auf seine nackten Mechaniken reduziert, ist Sophia Wagners Erstlingswerk dennoch ein gutes Optimierungsspiel, dessen Mechaniken geschickt ineinandergreifen und das zu weiteren Partien auf der Jagd nach noch ausgeklügelteren Spielzügen auffordert.

 

Vielen Dank an Edition Spielwiese für das Rezensionsexemplar!