„Detective – ein Krimibrettspiel“ von Ignacy Trzewiczek

Erstkontakt

Der Kaffee ist kaltgeworden, was ich erst bemerke, als ich gedankenverloren daran nippen will. Kurt Blutholz – ein hoher Nazifunktionär und die Uhr eines polnischen Komponisten… und dazu noch dieser Kleinkriminelle Owens. Wer hätte gedacht, dass eine solche Konstellation einen politischen Eklat auslösen könnte? Vielleicht geben die Personalakten irgendwas her? Das helle Licht des Monitors brennt leicht in meinen Augen. Ein Klick hier und… Die Polizeidatenbank Antares leistet gute Dienste. Zumindest habe ich jetzt eine ungefähre Ahnung, wer unsere Verdächtigen sind. 

Eine Viertelstunde später geht im Flur das Licht aus. Verdammt! Jetzt sitze ich bereits seit neun Stunden hier und bin in Bezug auf eine Verbindung zwischen den beiden Personen immer noch nicht weiter. Ob Susie noch da ist? Womöglich ist es ratsam, sich die Uhr im Archiv selbst einmal anzusehen. An den Räumen der Spurensicherung vorbei, in denen noch Licht brennt – bin ich also nicht der Letzte heute – befindet sich das Archiv am Ende des Flurs. „Susie?“ Ein Scheppern aus dem Zimmer hinter dem Schalter legt nahe, dass Susie heute ebenfalls länger macht. Als ich nach zwanzig Minuten mit der Uhr und einem ganzen Wust Unterlagen das Polizeirevier Richmond verlasse, habe ich nicht den Hauch einer Vorahnung, welche Wendung dieser Fall noch nehmen wird…

Karten zu Fall 1

Worum geht es?

„Detective“ lädt den Spieler zu einer ganz neuen Erfahrung ein. Wir sind Ermittler beim FBI und unsere Aufgabe ist es, fünf Fälle zu lösen. Neben zahlreichen Storykarten steht uns eine Online-Datenbank mit Namen Antares zur Verfügung, über die Polizeiakten, Verhöre, DNA-Spuren, Fingerabdrücke und andere zur Polizeiarbeit gehörende Unterlagen abgerufen und verwaltet werden können. Am Ende jedes Falls müssen wir einen Bericht schreiben, der Auskunft darüber gibt, wie gut wir unsere Rechercheergebnisse zusammengeführt haben.

Die äußeren Werte – Material 

Viel Story ist in vergleichsweise wenig Material untergebracht. Ein kleines Spielbrett lässt uns nachvollziehen, wo und wann unsere Recherchearbeit gerade stattfindet. Für jeden Fall steht uns ein Kartendeck mit 35 Karten zur Verfügung. Außerdem gehören noch einige Pappmarker, drei Holzfiguren und fünf Ermittlerplättchen mit verschiedenen Charakteren und Fähigkeiten zum Spiel. Die Einführungsstory für jeden Fall ist auf einer Doppelseite im Fallbuch zu finden.

Einführungsstory zu Fall 1 im Fallbuch
Der Schachtelinhalt

Die inneren Werte – das Spiel 

Pünktlich um 8 Uhr morgens beginnt unsere Schicht in der Zentrale von Antares. Auf dem Spielbrett wird dies durch drei Holzmarker für den Tag, die Uhrzeit und den Ort ausgewiesen. Unser Vorgesetzter und Gründer von Antares – Richard Delaware – führt uns in unseren ersten Fall ein. Ein heikles Unterfangen: Eine während der Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg gestohlene Uhr ist in einem Auktionshaus aufgetaucht. Jeder Fall gibt eine Deadline an, bis zum Ende welchen Tages wir den Fall weitestgehend gelöst haben sollten. Zu Beginn gibt es Hinweise auf Unterlagen, die wir uns näher anschauen sollten. Von da aus gibt es mehrere rote Fäden, denen wir folgen können. Die Storykarten sind verschiedenen Orten (Labor, Zentrale Polizeirevier Richmond, Gericht und Recherche vor Ort) zugewiesen. Bevor wir also eine entsprechende Karte und den darauf befindlichen Text nutzen können, muss unsere Figur auf dem Spielbrett den angegebenen Ort erreichen. Das kostet immer eine Stunde Zeit. Das Verfolgen eines Hinweises auf einer Karte auch: Eine bis vier Stunden Zeit kann uns die Recherche kosten. Acht Stunden Zeit haben wir in der Regel pro Tag, bevor Überstunden zu Stress führen, der uns wiederrum Punkte bei der Wertung kostet. Oft verbirgt sich auf der Rückseite der Karten eine weiterreichende Information, die wir durch die Abgabe entsprechender Fertigkeitsplättchen abrufen können. Manchmal ist diese aber auch nutzlos, daher gilt es genau abzuwägen, wann ein gründlicheres Nachhaken von Nutzen ist. Die verschiedenen Charaktere – abhängig von der Spieleranzahl – unterstützen uns mit ihren Fähigkeiten bei der Lösung des Falls. Hat der Spieler das Gefühl genug erfahren zu haben oder ist die Zeit abgelaufen, muss über die Datenbank Antares ein Bericht abgeliefert werden. Fragen mit verschiedenen Antwortmöglichkeiten gilt es dann zu beantworten. 

Das Spielbrett mit den Orten und der Zeitleiste

Die inneren Werte – Spielgefühl

„Detective“ ist nichts für Zwischendurch. Die Story will aufmerksam verfolgt, die Datenbank sorgsam geführt und die Mindmap systematisch vervollständigt werden. Richtig gelesen: Mindmap! Ohne das Führen umfangreicher Notizen – das Spiel selbst empfiehlt sogar Whiteboards oder Pinnwände – ist man schnell verloren im Meer der Informationen. Genial eingefädelt: Nie werden wir als Ermittler alle Karten des Falls sehen können. Dennoch gibt es verschiedene Hinweisstränge, die mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zum Ziel führen können. Wir erleben fast alles, was ein Leben als Ermittler so zu bieten hat. Langeweile kam nie auf.

Aber: Das Spiel ist Arbeit – Ermittlungsarbeit. Spätestens ab Fall 3 saß ich – mit heißem Kaffee und völlig abgeschottet im Arbeitszimmer – gebannt über meinen Akten und Aufzeichnungen. Für den einsamen Wolf ein harter Brocken: Als Solospieler ist man allein für das Behalten und Verwalten aller Hinweise verantwortlich. Im Spiel mit bis zu fünf Personen verteilt sich die Last auf mehrere Schultern. Da für jeden Fall zwei bis drei Stunden einzuplanen sind und diese zeitnah nacheinander bearbeitet werden sollten (Zusammenhang!), ist „Detective“ nicht an einem Abend zu lösen. Die Weiterführung nachfolgender Fälle kann dann aber auch im Alleingang erfolgen. 

Spielbrett und Übersicht der Ermittler

Auf Unachtsamkeit meinerseits ist folgendes zurückzuführen: Manchmal gibt es Kettenreaktionen, wenn eine Karte auf mehrere Hinweise verweist und diese ebenfalls mehrere Recherchemöglichkeiten bietet, obwohl die Ausgangskarte noch nicht vollständig abgehandelt ist. Arbeitet man dann nicht sorgsam und versucht alles im Blick zu behalten, kann es sein, dass man wichtige Hinweise übersieht. Das führt dann zu einer schlechten Wertung beim Abschlussbericht aufgrund fehlenden Wissens.

Die Verknüpfung mit Recherchearbeiten im Internet und der Führung der Datenbank vermitteln ein authentisches Spielgefühl. Die Komponenten des Spiels greifen wunderbar die Thematik auf. Natürlich fallen mir einige Verbesserungsvorschläge ein, die das Spielgefühl noch auf ein höheres Level heben könnten – wie die Wiedergabe der Vernehmung wichtiger Personen als Videoaufzeichnung oder Tonaufnahme – doch das ist Kritik auf hohem Niveau.

Konzentration und Kombinationsgabe haben bei „Detective“ oberste Priorität. Wem das liegt und wer gern stundenlang über Informationen brütet, der ist hier gut bedient.

Fazit

Das war gut:

  1. Thematik und Mechanik greifen gut ineinander
  2. Authentische Story und deren Darbietung
  3. Verknüpfung mit der Realität: Nutzung des Internets und einer Datenbank

Das hat nicht gefallen:

  1. Sehr viel Text – Reduktion durch Auslagerung als Hörtext oder Videoaufzeichnung?
Spieltyp Konfrontationstyp Zeit
Stratege Nachdenker Genießer Fiesling Stänkerer Pazifist viel mittel wenig

Mindestens benötigte Erfahrung:

Einsteiger Wenigspieler Vielspieler Profis

Vielen Dank an Pegasus Spiele für die Rezensionsexemplare!