Kitchen Rush [Artipia Games] – Rezension

Kitchen Rush von Dávid Turczi und Vangelis Bagiartakis

Erstkontakt

Ob das nun ein geschlechtsspezifisches Phänomen ist, das mich zu Kitchen Rush geführt hat? So manch einer vertritt ja nun noch heute die Meinung, dass Frauen in die Küche gehören. Dennoch tummelten sich zur diesjährigen Essener Spielemesse ebenso zahlreiche Männer am Stand von Artipia Games, um das recht erfolgreiche Kickstarterprojekt zu testen. Hier sei noch kurz angemerkt, dass unsere dortige Viererbesetzung doch tatsächlich gewonnen hat. Und das ist alles andere als einfach. Wie dem auch sei: Heute wird eingekauft, gekocht, serviert und aufgewaschen.

 

Worum geht es?

In diesem kooperativen Spiel versuchen 2 bis 4 Spieler ein Restaurant erfolgreich zu leiten. Auch eine Solovariante ist möglich. Es fallen nahezu alle Tätigkeiten an, die auch im entsprechenden realen Pendant von Nöten sind: Zutaten einkaufen, Bestellungen entgegennehmen, das Essen zusammenstellen und kochen sowie servieren und die Mitarbeiter bezahlen. Recht innovativ ist die Art und Weise, wie hier das Prinzip des Worker-Placement umgesetzt wird. Unsere Angestellten sind Sanduhren, die erst dann eine neue Tätigkeit ausführen können, wenn die Zeit darin abgelaufen ist. Das Problem: Jede der vier Runden dauert nur vier Minuten.

 

Die äußeren Werte – Material

Ich weiß nicht, wie es anderen Spielern geht, aber mir ging das Herz auf, als ich die Essenszutaten in Augenschein nehmen durfte: kleine weiße Farfalleschleifchen, orange Möhrchen, gelbe Käsestücke, braune Brotscheiben und und und. Natürlich aus Holz! Außerdem gibt es 10 Sanduhren, je zwei in einer Farbe. Der Knaller wären jetzt noch die verschiedenen Tellerarten aus Resin gewesen, verständlicherweise sind diese aber nur aus Pappe. Neben Spielplan, Zählplan für unsere Prestigepunkte und diversen Karten gibt es noch einige kleine Holzwürfel, die verschiedene Gewürze darstellen sollen sowie Plättchen zum Sperren und Freischalten weiterer Bereiche in unserem Restaurant. Für die Ordnungsliebenden: Nein, ein Inlay ist nicht vorhanden.

Die Spielanleitung ist übersichtlich und leicht verständlich, wobei an dieser Stelle ausdrücklich gesagt werden muss, dass Kitchen Rush derzeit nur auf Englisch erhältlich ist. Dem durchschnittlich Englischkundigen sollte das Regelheft jedoch keine größeren Probleme bereiten. Zudem schwirrt mittlerweile auch eine deutsche Übersetzung durchs Netz.

 

Die inneren Werte – das Spiel

Ist der Timer (übrigens nicht enthalten) gestartet, heißt es einen kühlen Kopf bewahren. Die Arbeiter werden nun auf ein freies Feld im gewünschten Bereich (Ofen, Spüle, Vorratskammer, Büro, Restaurant, Empfangstheke, Gewürzschrank) platziert. Sinnvollerweise nimmt man zunächst Bestellungen entgegen. Dann sollten Zutaten und Gewürze besorgt, sowie die Speise gekocht werden. Sind den Arbeitern ihre Tätigkeitsbereiche zugewiesen, heißt es warten. Rund dreißig Sekunden dauert es, bis die Sanduhren durchgelaufen sind. In der Zeit ist es ratsam, auch gemeinsam die nächsten Schritte zu planen. Nach nur vier Minuten endet eine der vier Runden. Nun muss überprüft werden, ob die Speisen korrekt zubereitet wurden (Zutaten, Gewürze, Kochzeit, Teller). Ist das der Fall, erhält man Geld und manchmal auch Prestigepunkte. Beide sind wichtig, da wir nicht nur unsere Arbeiter am Rundenende bezahlen und neue Zutaten einkaufen, sondern auch ein zu Spielbeginn gewähltes Ziel erreichen müssen. Je nach Wahl des Schwierigkeitsgrades gewinnen wir Kitchen Rush nur, wenn eine vorgegebene Anzahl an Speisen zubereitet, Prestigepunkte verdient und Geld eingenommen wurden.

 

Die inneren Werte – Spielgefühl

Sind die Zutaten in der Speisekammer gelagert, die Gewürze eingeräumt und die Bestellwünsche drappiert, startet der Timer. Bereits an dieser Stelle durchflutet den Spieler das Gefühl von Hektik und Stress. Wunderbar, so muss es sein! Sind mal wieder alle Kochplatten kurz vor Rundenende belegt, treibt das den Blutdruck zusätzlich nach oben. Schreit man dann noch die Mitspieler an, dass endlich jemand einkaufen gehen soll, weil Zutaten fehlen oder das Gewürzsäckchen wieder mal nur Salz und Pfeffer enthält, ist die Illusion perfekt. Fehlen eigentlich nur noch die meckernden Gäste.

Spaß macht Kitchen Rush vor allem deswegen, weil versucht wurde, die Arbeitsabläufe eines Restaurants nachvollziehbar spielbar zu machen. Zu großen Teilen ist das gelungen: Fehlt das Geld, kann ich nichts einkaufen und meine Arbeiter verweigern den Dienst. Herrscht in der Speisekammer gähnende Leere, kann eben das Beef Wellington nicht zubereitet werden. Nett ist hier auch, dass die Zusammensetzung der nötigen Zutaten auf den Bestellkarten nicht zufällig ist. Für eine Lasagne Bolognese braucht man beispielsweise zwei Fleischstücke, eine Möhre, zweimal Pasta und Salz und Pfeffer.

 

Hektik und Erholungsphasen sind recht ausgeglichen, sodass auch genug Zeit bleibt, die nächsten Züge zu überdenken und mit den Mitspielern abzusprechen. Und das ist definitiv nötig. Ein stupides Abspielen der logisch aufeinanderfolgenden Züge wird kaum den Sieg bringen.

 

Fazit

Das war gut:

Kitchen Rush ist schnell erklärt und gespielt. Nach etwa 30 Minuten ist ein Spiel inklusive Aufbau beendet.
Die Holzzutaten sind wirklich schön anzusehen.
Das Spiel ist nicht nur in seinen Siegbedingungen äußerst variabel. Auch während des Spiels können Boni und Mali wahlweise weggelassen oder hinzugenommen werden (Events).
Vor allem aber überzeugt die Einbettung des Themas in Spielprinzip und –ablauf.

 

Das hat nicht gefallen:

Die Qualität einiger Materialien ist teils nicht besonders hochwertig. Bei Holzzutaten sind Ecken abgesplittert. Außerdem bleiben einige der Sanduhren hängen. Zudem unterscheiden sie sich in der Dauer der Durchlaufzeit um bis zu 10 Sekunden. Das klingt wenig, kann aber je nach Zusammensetzung der gewählten Arbeiter durchaus den Sieg kosten.

Obwohl die Spielabläufe eingängig sind, ist es wirklich nicht leicht zu gewinnen. Spielen Kinder oder generell eher Spielunerfahrene mit, wird es wohl beim Versuch bleiben. Mehrere Durchgänge mit denselben Mitspielern sind nötig, um sich eine Taktik zurechtlegen zu können, die auch zum Sieg führt.

Das machen viele andere Spiele leider auch: Am längsten dauert es, die ganzen verschiedenen Spiele“zutaten“ aus den gefühlten hundert Zipperbeuteln zu befreien. Zumindest für die Holzteile wären kleine Schachteln nett gewesen.

 

Fazit: Kitchen Rush ist definitiv eines der wenigen Spiele, das es schafft, das Thema so gut ins Spiel zu integrieren. Der simple Spielablauf ermöglicht zudem einen schnellen Einstieg auch für Gelegenheitsspieler. Ist es zunächst die Aufmachung des Spiels, die zum ersten Probieren anregt, so macht gerade die Schwierigkeit zu gewinnen (bestenfalls in allen Schwierigkeitsstufen), den hohen Wiederspielreiz von Kitchen Rush aus.