Weltausstellung 1893 [dlp games] – Rezension
Weltausstellung 1893 von Alex J. Kevern
Erstkontakt
Auf der SPIEL 2016 in Essen lief ich mehrmals am Stand des Spieleverlages dlp games vorbei. Die „Weltausstellung 1893“ war auf einigen Tischen platziert worden und wartete auf Interessenten. Ich sollte keiner werden. Mehr als fünf Sekunden meiner Aufmerksamkeit gestand ich dem Spiel nicht zu. Nun hatte es auf verschlungenen Wegen aber doch den Platz ins heimische Spieleregal gefunden und die Frage, die viele Spielebegeisterte beschäftigt, tut sich auf: Ist es den Platz wert, den es im Spieleschrank belegt?
Worum geht es?
Die Weltausstellung des Jahres 1893 in Chicago: Ein durchaus neues Thema, das der in Deutschland eher unbekannte Autor J. Alex Kevern da zum Mittelpunkt seines Spiels gemacht hat. Trotz der liebevollen Gestaltung der Spielschachtel aber leider auch eines, das mich persönlich nicht angesprochen hat. Das Spielziel: Verschiedenste Exponate in den passenden Bereichen auf der Messe unterzubringen und so Punkte zu sammeln. Die meisten gibt es für vollständige Sets, also je einem Exponat aus jedem der fünf Bereiche.
Die äußeren Werte – Material
Der Spielekarton hat mit Carcassonne-Größe eher geringere Ausmaße, das Material passt gut, ohne dass zu viel Leerraum ihn als Mogelpackung entlarven müsste. Das „Spielbrett“ besteht aus einem Riesenrad, dessen Gondelanzahl je nach Spielerzahl variabel ist. Daran sind reihum fünf verschiedene Bereiche angelegt, zu denen farblich und thematisch passend die Exponatkarten gestaltet sind. An dieser Stelle muss ich dem Verlag meine Hochachtung zollen. Jede der Karten zeigt eine wunderschöne Zeichnung des Ausstellungsstückes und enthält außerdem eine kurze Beschreibung dazu. Kleine Papp – Plättchen in den fünf Farben der Ausstellungsbereiche/Exponate zeigen an, wie viele der begehrten Stücke wir im Laufe des Spiels tatsächlich ausstellen konnten. Für jeden Spieler gibt es außerdem noch 22 Holzwürfel, unsere Unterstützer bei der Unterbringung der Exponate. Medaillen und Münzen symbolisieren die erreichten Punkte.
Daumen hoch an die Spielanleitung! Die ist kurz und knackig, anschaulich bebildert und vor allem: leicht verständlich.
Die inneren Werte – das Spiel
Die kleine Holzgondel in der untersten Gondel des Riesenrades platziert und schon kann es losgehen. Der aktive Spieler muss sich den Kopf darüber zerbrechen, in welchem der fünf Bereiche der Weltausstellung er einen seiner Unterstützer platziert. Denn nur, wenn man sich die Mehrheit in einem Bereich sichert, darf man auch gesammelte Exponate dort ausstellen. Zusätzlich erhält man nach Einsetzen eines Unterstützers nämlich dort anliegende Karten: die Exponate, Aktionskarten in Form einflussreicher Personen, aber auch sogenannte Midway-Tickets, die unsere Gondel im Uhrzeigersinn weiterbewegen. Und genau da liegt der Knackpunkt: So kann es sein, dass man unbedingt im gelben Bereich „Elektrizität“ noch Unterstützer haben möchte, die daran ausliegenden Karten aber überhaupt nicht interessant sind. Nun heißt es abwägen: Lieber dort platzieren, wo attraktiveres Kartenmaterial wartet, mir aber ein weiterer Unterstützer nichts nützt? Oder sich die Mehrheit sichern und dafür vielleicht die Runde schon beenden, weil unter den ausliegenden Karten, die man nehmen muss, Midway-Tickets sind?
Es gilt also permanent zu überlegen, ob man sich lieber bestimmte Exponate sichert, oder die Mehrheit in ausgewählten Bereichen erreichen will.
Nach jeder Runde wird gewertet. Der Spieler mit den meisten Unterstützern in einem Bereich erhält eine Führungsmedaille, die entweder zwei (2-Spieler-Spiel) bzw. vier Punkte wert ist. Und auch nur dieser Spieler darf nun zugehörige gesammelte Exponate werten. Er erhält dann ein passendes farbiges Plättchen für jede gewertete Karte. Ich erinnere: Ziel ist, möglichst vollständige Sätze aus allen fünf Bereichen zu bekommen. Um auch den Unterlegenen eine Chance zu geben, müssen nach jeder Runde die Hälfte der Unterstützer aus allen Gebieten entfernt werden. Außerdem gibt es noch Punkte für die eingesammelten Midway-Tickets, wobei der mit den meisten zwei Bonuspunkte erhält. Nach drei Runden endet das Spiel. Angegeben sind 40 Spielminuten, die in unseren bisherigen Runden durchaus realistisch sind.
Die inneren Werte – Spielgefühl
„Weltausstellung“ spielt sich leichtgängig und zielgerichtet. Es gibt kaum eine Downtime und selbst wenn, dann wird die Wartezeit damit verkürzt, dass man sich die Kartentexte anschaut. Ja, selbst beim Brettspiel kann man noch etwas lernen.
Die Interaktion zwischen den Spielern beschränkt sich auf den Kampf um die Mehrheit in den Ausstellungsbereichen. Der kann jedoch erbittert sein, schließlich liegen alle Karten offen aus und jeder Spieler weiß genau, was sein Gegenüber noch benötigt. Eine Aktionskartenart ermöglicht es außerdem, gegnerische Unterstützer zu verschieben und so den Mitspieler direkt anzugreifen. Nun bin ich eher der passive Spieler und mag es gar nicht, wenn mir der Gegner in meine sorgfältig geplanten Aktionen grätscht. Dennoch empfand ich die Eingriffe meines Mitspielers erträglich. Spieler, die es lieben, in Munchkin-Manier auf den Gegner einzuprügeln, werden sich an dieser Stelle daher wahrscheinlich zu sehr eingeschränkt fühlen. Zumindest bei einem Zwei-Spieler- Spiel. Bei voller Besetzung ist der Frustrationsfaktor, je nach Charakter der Mitspieler, aber durchaus höher. Taktisches Vorgehen wird dabei ebenfalls erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Einen gegnerischen Unterstützer versetzt und die ganze Planung ist hin. Kann man mögen, muss man aber nicht. Ich brauche Organisation.
Taktik spielt nämlich (eigentlich) eine große Rolle, dennoch ist es immer auch Glück, welche Karten an welche Bereiche angelegt werden. Improvisieren und umdenken ist also nötig. Mal mehr, mal weniger. Das fesselt ans Spiel, da man nicht nur die eigene und die allgemeine Auslage, sondern auch die des Gegners ständig im Blick behalten muss. Das kann aber auch nerven. Gerade dann, wenn man viele Exponate gesammelt hat und deren Genehmigung plant, der Gegner aber mit einem Zug alle unbrauchbar macht.
An den Startspielervorteil wurde gedacht: Nachfolgende Spieler dürfen vor Spielbeginn in festgelegte Bereiche bereits zwei Unterstützer statt einem setzen. Da überlegt man, gerade im Spiel zu zweit, ob man diesen Bonus nicht einstreichen möchte. Negativ: Der zweite, dritte und vierte Spieler bekommen den gleichen Bonus. Hier gibt es keinen weiteren Vorteil.
Fazit
Das war gut:
Es nervt, stundenlang Anleitungen zu lesen, während des Spiels nach jedem Zug in selbiger zu blättern und Spiele in die Ecke zu stellen, weil der Komplexitätsgrad die meisten meiner Mitspieler überfordert. „Weltausstellung“ ist keines davon. Außerdem habe ich wieder ein Spiel gefunden, dass zu zweit wirklich Laune macht und schnell gespielt ist. Mit Hilfe einer kleinen Sortierbox geht auch der Aufbau noch schneller. „Weltausstellung 1893“ hat das Rad nicht neu erfunden, ist aber ein solides Worker-Placement-Spiel kombiniert mit Set-Kollektion in netter Aufmachung (auf den zweiten Blick).
Das hat nicht gefallen:
Das Thema ist neu. Es passt auch durchaus ganz gut zur Gestaltung des Spielablaufs. Dennoch erscheint die Thematik austauschbar. So toll die Exponate und deren Gestaltung sind, sie dienen lediglich der Illustration und sind in ihrer Einzigartigkeit für das Spiel bedeutungslos. Es fehlen Spielemechanismen, die „Weltausstellung 1893“ wirklich zu einer Weltausstellung machen.
Planung ist das halbe Leben. Mit zunehmender Spieleranzahl wird das dem geneigten Planer aber immer mehr erschwert. Die Mitspieler können einem richtiggehend in die Suppe spucken. Gewollt oder durch Zufall. Ich persönlich bevorzuge Planbarkeit, würde also ein Spiel zu viert nur eingeschränkt empfehlen. Spontanere Typen, die zurechtgelegte Strategien gern immer wieder neu überdenken, haben in Maximalbesetzung aber sicher ihren Spaß.
Allen anderen kann ich sagen: Man sollte nicht immer vom Äußeren auf die inneren Werte schließen.
Vielen Dank an dlp games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.